GRÜNE REIHE am 26. Januar 2017: Care Revolution

Ein grundlegendes Umdenken unserer Gesellschaftsstrukturen ist erforderlich

Unsere Gesellschaft muss solidarischer werden und die menschlichen Bedürfnisse wieder in den Blick nehmen – so ließe sich der Vortrag von Frau Prof. Dr. Gabriele Winker, Professorin für Arbeitswissenschaft und Gender Studies an der TU Hamburg-Harburg zusammenfassen.

Der Kreisverband von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatte Frau Prof. Dr. Gabriele Winker am 26. Januar 2017 zu einem Vortrag in die Soester Stadthalle eingeladen.

Bei der von Frau Prof. Winker mitinitiierten “Care-Revolution” geht es um mehr als nur die Forderung einer solidarischeren Gesellschaft. Es geht um die Art und Weise, wie die Gesellschaft mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern umgeht, denn trotz guter Beschäftigungszahlen können immer mehr Menschen von ihrer Arbeit die Familie nicht mehr allein oder ohne staatliche Hilfen ernähren. Es geht um die Frage eines gerechten Einkommens bei Vollzeitstellen und darum, Wege aus dem Hamsterrad von zunehmender Arbeitsbelastung und privatem Pflichtgefühl zu finden. Immer mehr Menschen fühlen sich abgehängt, oder haben Angst davor, abgehängt zu werden, was dazu beiträgt, dass unter der starken Belastung kaum noch Zeit für Ausgleich, oder, wie Gabriele Winker es nennt, “Muße” bleibt.

Die gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre, egal ob veränderte Familienstrukturen oder der demografische Wandel, werden sich auch weiterhin auf das Privatleben und das soziale Gefüge auswirken, wenn wir nicht innehalten und gegensteuern.

Im Fokus des Vortrags stand besonders die Pflege. Nicht nur die entlohnte Pflege im Gesundheitswesen, sondern auch die unbezahlte Pflege von Kindern, Haushalt, alten Familienangehörigen – vor allem aber auch sich selbst. Denn viele Menschen geraten beim Versuch, neben den hohen Anforderungen der Erwerbsarbeit gut für sich und andere zu sorgen, an die Grenzen ihrer Kräfte. Oftmals geben sie sich selbst die Schuld, wenn sie von diesen Aufgaben überfordert sind oder an ihnen scheitern. Jedoch lässt sich mit einem Blick auf die derzeitige Krisensituation zeigen, dass es sich hierbei nicht um individuelles Versagen handelt, sondern die Folge politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen ist.

Vor allem im Gesundheitsbereich habe die “Durchkapitalisierung” dazu geführt, dass die Arbeitnehmer*innen immer häufiger und immer früher unter psychischen Erkrankungen und Erschöpfungszuständen leiden. Daher bedarf es einer echten “Care-Revolution” – einem ganzheitlichen Umdenken der Gesellschaft, weg vom Credo “Alles muss Rendite abwerfen”. Manche Bereiche wie eben die Pflege seien schlicht nicht vereinbar mit dem Ziel des Profitgewinns.

Auf den umfassenden Vortrag folgte eine angeregte Diskussion die vom Ehegattensplitting über kostenlose Kita-Plätze bis hin zur 30-Stunden Woche in Göteborg reichte.