Klima? Relevant!

Wir hätten nicht erwartet, dass sich die Gremien zu unserem Antrag betr. die Bewertung der Verwaltungsvorlagen im Hinblick auf Klimarelevanz derart schwer tun.  Wir hatten auch gehofft, dass die Zeiten, in denen die Farbe Grün auf einem Antrag erst einmal einen Ablehnungsreflex auslöst, vorbei sind. Aber vielleicht ist das hier ja schon dem aufziehenden Wahlkampf geschuldet. Das finden wir, um der Sache willen sehr, sehr schade.

Wir räumen ein, dass unser ursprünglicher Antrag vom Juli diskussionswürdig war. Dass CDU/SPD dann in der Sitzung des Unterausschusses Klima, die erst im Oktober stattfand, Beratungsbedarf anmeldeten, verstanden wir. Allerdings hätten wir uns sehr wohl gewünscht, dass die Verwaltung in der langen Zeit zwischen Antrag und Sitzung ihrerseits Stellung genommen hätte, um bereits in eine sachliche Diskussion einzusteigen. Denn die Verwaltung hatte sich ja sehr wohl Gedanken gemacht, wie die ausführliche mündliche Stellungnahme des Dezernenten Dr. Wutschka in der Sitzung auswies und offensichtlich wohl vorbereitet war.

Wie werden Vorlagen der Politik präsentiert?

Diese Stellungnahme fand Eingang ins Protokoll und wurde – leicht erweitert – zur schriftlichen Stellungnahme, die in der dann doch notwendigen Sondersitzung des Unterausschusses im November vorlag. Bei gutem Willen hätte das schon zur ersten Sitzung des Unterausschusses vorliegen können. Die Erklärung der Verwaltung hierzu, dass Anträge aus der Politik regelmäßig erst politisch beraten werden, bevor sich die Verwaltung äußert, verfängt unseres Erachtens nicht, da es nicht um die Umsetzung eines politischen Willens geht, sondern unmittelbar um die Art und Weise, wie Vorlagen der Politik präsentiert werden.

Dieses wiederum veranlasste Dr. Wutschka, in der Weise zu intervenieren, dass unser Antrag seines Erachtens in die Organisationshoheit der Landrätin eingreife, weil nur die Landrätin – oder Derzernent/-in – dem Klimamanager Aufgaben zuschreiben könne; so jedenfalls interpretieren wir die schwammige Ausdrucksweise in dem sonst sehr sorgfältigen Protokoll. Denkt man das einmal zu Ende, so beinhaltet die Organisationshoheit der Landrätin theoretisch auch deren angebliches Recht, den politischen Gremien nicht ausdrücklich von ihr autorisierte Auskünfte zu verweigern. Das verträgt sich nicht mit der Kontrollfunktion des Kreistags gegenüber der Verwaltung.

Bedenken statt Lösungen

Jedenfalls hätte man diese Bedenken zum einen schon in die Vorlage hineinschreiben können, zum anderen ohne weiteres überwinden können, wenn denn angeregt worden wäre, dass nicht die Person des Klimamanagers, sondern eine klimaspezifische Sachstellungnahme eingefordert wird. Aber so wurden lieber Bedenken statt Lösungen geäußert. Schwamm drüber.

Ein wichtiger Kritikpunkt von CDU/SPD/FDP war sodann, der Begriff „klimabedeutsam“ sei nicht definiert. Das ist richtig, gilt aber für die Verwaltungsvorlage gleichfalls und wurde dort dann nicht kritisiert, weil man dort ja zustimmen wollte. Bei gutem Willen war auch erkennbar, dass der Begriff so gemeint ist, dass zunächst gedanklich geprüft wird, ob das in der Vorlage genannte Vorhaben unter Klimagesichtspunkten verbessert werden kann. Aus der weiteren Kritik, es gebe gar keinen Maßstab für Klimarelevanz, wird ein Schuh, denn die Klimaziele von Paris, auch übertragen auf Deutschland, sind schon mehrere Jahre alt. Es geht – man kann es nicht oft genug sagen – darum, die Erderwärmung gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter auf 2, besser 1,5 Grad zu begrenzen. Das bedeutet, dass die Treibhausgasemmissionen um 80 bis 95 % bis zum Jahr 2050 gesenkt werden müssen. Schon bis zum nächsten Jahr sollen 40 % erreicht sein.

Umrechnung auf den Kreis Soest hätte längst erfolgt sein können

Eine Umrechnung auf den Kreis Soest hätte längst ohne Aufforderung durch die Politik erfolgt sein können, um dem Unterausschuss konkrete Zielmarken zur Verfügung zu stellen. Wir werden feststellen müssen, dass wir von diesen Zielen meilenweit entfernt sind – und da hilft auch nicht unser Bestreben, im EEA-Prozess Gold zu gewinnen, wirklich weiter. Noch einmal: Der EEA-Prozess beurteilt Verbesserungen von einem Zeitpunkt der Antragstellung. Das ist gut und wertvoll und soll ausdrücklich positiv gerade im Hinblick auf die engagierte Mitarbeit der Verwaltung erwähnt werden. An den Pariser Klimazielen orientiert sich der EEA-Prozess jedoch nicht.

Fridays for Future und viele anderen fordern zu Recht ein, dass die Pariser Klimaziele, also die Forderungen für die Zukunft, Richtschnur für das jetzige politische Handeln werden. Dass es hier ein massives Vollzugsdefizit gibt, dürfte unbestritten sein und ist Grund für die Ungeduld der Protestierenden.

Klimanotstand wird nicht am Kreis Soest vorbeigehen

Die Hoffnung, dass der Klimanotstand, den das Europäische Parlament jüngst ausgerufen hat, am Kreis Soest vorbei geht, weil man hier ja den Begriff Klimanotstand scheut wie der Teufel das Weihwasser, zeigt eher Blindheit als Weitsicht. Eher jeden Tag als jede Woche liest man in der Zeitung oder sieht im Fernsehen, dass irgendwelche Naturkatastrophen Menschen und Natur bedrohen. Und natürlich kann man jedes solches Ereignis als Einzelereignis ohne Zusammenhang mit dem Klimaproblem sehen, wenn man denn die Augen zu machen will. Was es schon für die jetzt Lebenden, aber insbesondere für nachfolgende Generationen bedeutet, wenn wir die Klimaziele verfehlen, male ich hier nicht aus. Das ist alles sattsam dokumentiert.

Unseres Erachtens wurde in der Ausschussdiskussion im offensichtlichen Willen der Ablehnung unseres Antrags von den Fraktionen der CDU/SPD/FDP übersehen, dass unser Änderungsantrag die vom Klimamanager ergänzend zu bearbeitenden Vorlage drastisch geschrumpft hat: also keine Info-Vorlagen, keine Vorlagen mit geringer Klimarelevanz und selbst dann keine Einbindung der Politik, wenn sich Fachabteilung und Klimamanager einig sind, also nur Beteiligung der Politik bei einer Divergenz zwischen Fachabteilung und Klimamanager. Das dürften allenfalls und hochgegriffen 10 im Jahr sein.

Alles bleibt beim Alten

Indem die Mehrheit in den Ausschüssen die sog. Variante 3 der Verwaltungsvorlage zum Beschlussgegenstand macht, klopft sie sich selbst auf die Schulter, aber es bleibt alles beim Alten. Dieses Alte, mit dem schönen Wort „proaktiv“ garniert, hat jedoch bei den millionenschweren Neubauten, nämlich Bördeturnhalle, Zulassungsstelle und Archiv nicht dazu geführt, dass der beste (durchaus bekannte) Energiestandard angewandt wurde, sondern der aktuell gesetzlich geforderte. Mit der Folge, dass für Jahrzehnte, nämlich die Nutzungszeit dieser Gebäude, Möglichkeiten der Energieeinsparungen ungenutzt bleiben.

Es bedarf keiner Hellseherei, dass der Klimamanager auf diesen Missstand hingewiesen hätte, zumal er natürlich weiß, dass Deutschland mit einer Verbesserung des energetischen Gebäudestandards nach Ansicht der EU seit langem in Verzug ist. Auf diesen ausdrücklichen Hinweis in unserem Antrag zu den jetzt vom Kreis errichteten Gebäuden haben wir keine Antwort erfahren.

Kompetenzen ergänzen

Schließlich wird eingewandt, dass das von uns geforderte „Vier-Augen-Prinzip“, wonach unabhängig von der Fachabteilung die Klimaabteilung die Klimarelevanz beurteilen soll, eine Art Misstrauenskultur institutionalisiere: Das sagt man, wenn man partout ablehnen will. Gemeint von uns war und ist, dass sich Kompetenzen ergänzen sollen, wie es auch sonst im Verwaltungshandeln zum Nutzen der Ergebnisse Gang und Gäbe ist.

Zusammenfassend sind wir überzeugt, dass unser Antrag dem Klimaschutz im Kreis Soest dient, die Variante 3 der Verwaltung aber nicht, so dass wir diesen Gegenantrag ablehnen und unseren Antrag aufrechterhalten.

- Ein Beitrag von Ulrich Vennemann, umweltpolitischer Sprecher der Grünen Kreistagsfraktion - 

Anträge_Stellungnahme_Klimarelevanz
Pressemitteilung vom 10. Oktober